Perspektiven der aktuellen Fotobuchforschung
Betrachtet man das Fotobuch aus einer medienökologischen Perspektive, so hat sich das Medium ausgehend von der illustrierten Presse und der Autorenfotografie bis hin zum konzeptionellen Künstlerbuch sowie auch zum „research-based photobook“ ausdifferenziert.[5] In der gegenwärtigen Medienkultur ist das Fotobuch nicht mehr nur als Sammlungsobjekt, sondern auch auf dem Buchmarkt begehrt.[6] Auch die alltagssprachliche Begriffsverwendung des ‚Fotobuchs‘ im digital geprägten Medienalltag zeugt von dessen Aktualität.[7] Jedoch grenzen sich Materialität und Multimodalität des Fotobuchs von digitalen Bildermassen ab, insofern darin Sehgewohnheiten reflektiert sowie aktualisiert werden: Das Fotobuch gilt postdigital gelesen „als Orientierungs- und auch Reflexionsort über die Bedingungen des Sehens und Bildermachens“.[8]
Im Jahr 2020 ist klar, dass auch das Anthropozän als produktives wie selbstreflexives Motiv zum (populär-)kulturellen „Photobook Phenomenon“ zählt.[9] Exemplarisch lässt sich dies anhand zweier Titel aus dem gleichen Jahr ablesen, welche die Sphären des Anthropogenen und zugleich Fotogenen in sich vereinen und verhandeln: Das „Wissensbuch des Jahres“ Human Planet zeigt in Luftbildern von George Steinmetz und Texten vom Wissenschaftsjournalisten Andrew Revkin ausschließlich menschengemachte Landschaften,[10] während internationale Fotojournalist*innen in Human Nature „den Zustand unserer Erde“ in den konträren Sphären „HUMAN“ und „NATUR“ abbilden, wie der Titel anzeigt.[11] Folglich erscheint das Fotobuch spätestens im Jahr 2021 nicht als Modeerscheinung, sondern als Teil eines „ecosystem of photography“ und Ausdruck des „new face of photophilia“.[12] Jedoch gilt es, das Fotobuch weniger als eigenständige Gattung denn als relationales Format in dessen intermedialen Geschichte und Gegenwart zu untersuchen – so das deklarierte Forschungsziel der Tagung „Re-Thinking Photobooks“ im Jahr 2022, dem sich das Promotionsvorhaben anschließt.[13]
[1] Campany, „The ‚Photobook‘: What’s in a name?“.
[2] Vgl. Talbot, The Pencil of Nature. Anna Atkins' Photographs of British Algae: Cyanotype Impressions (1843–1853) kommen Talbot zuvor, wenn auch zum damaligen Zeitpunkt noch nicht publiziert und kommerzialisiert, siehe hierzu: Armstrong, Scenes in a Library, S. 179 ff.
[3] Vgl. Newhall, „Introduction“, in: Talbot, The Pencil of Nature, o. S.
[4] Dunaway, Natural Visions, S. 118. Siehe hierzu: Adams u. Newhall, This Is the American Earth, insbes. Kapitel 3 u. 4, S. 22–47.
[5] Exemplarisch vgl. Parr u. Badger, The Photobook; Schürmann, „Show, don’t tell?“.
[6] Vgl. Chéroux, „More than Just a Fad“.
[7] Der Begriff des (privaten) Fotoalbums ist für die personalisierte bis automatisierte Online-Herstellung zutreffender.
[8] Hagner, „Das Fotobuch, postdigital“, S. 103.
[9] Vgl. Neumüller zit. in Queiroz u. Fernandes, „Photobook Phenomenon“. Siehe hierzu auch: Ders., Photobook Phenomenon.
[10] Steinmetz, Human Planet.
[11] Addison, Human Nature.
[12] Chéroux, „More than Just a Fad“.
[13] DFG 2288 Journalliteratur, „Re-Thinking Photobooks: Media Constellations in Media Constellations“, Philipps-Universität Marburg, 14.10.–16.10.2022.