Anerbieten, 1832
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H. Baermann, 'Anerbieten', Intelligenz-Blatt V zur allgemeinen musikalischen Zeitung 34 (May 1832), col. 18–19.
Anerbieten.
Unterzeichneter hat sich entschlossen, jungen, talentvollen Musikern, welche den Mechanismus ihres Instruments bereits auf eine bedeutende Art überwunden, sich aber geistig noch auszubilden wünschen, Unterricht zu ertheilen.– Die traurige Erfahrung, dass fast überall (mit wenig Ausnahme) der Instrumentalist genug gethan zu haben glaubt, wenn er, Schwierigkeit auf Schwierigkeit häufend, dieselbe mit Präcision vorträgt und so den lärmenden Beyfall derjenigen einerntet, welche nur Fingerfertigkeit zu beurtheilen wissen, von dem Eigentlichen und Wahren der Kunst aber, Ausdruck der Seele, Leidenschaft in allen ihren Nüancen u. s.w-, keinen Begriff haben. Unterzeichneter glaubt jedoch, dass der Künstler nur im Besitze vorstehender Eigenschaften seine immerwährend, gleiche Anerkennung sichern kann.– Man klagt jetzt im Allgemeinen über den Verfall der Concerte; sollte der Grund nicht vielleicht darin liegen, dass man den wirklich gebildeten Musikliebhaber durch die Art und Weise, wie man die Concerte jetzt zu geben pflegt, eher davon zurückschreckt als ihn dafür empfänglich macht? Denn wen können Musikstücke, die auf blossen Mechanismus berechnet, und Künstler, die nur Fingerfertigkeit zu zeigen wissen, wohl mehr als ein, höchstens zwey Mal interessiren? Man sehe nur die heutigen Concert-Annoncen, auf welchen man selten etwas Anderes finden wird, als eine Ouverture aus irgend einer beliebten Oper, ein Concertino aus hundert und hundert Mal gehörten Thema's zusammengesetzt, ein paar Arien, die aber natürlich zur Bequemlichkeit der Sänger aus jenen Opern genommen werden, welche bereits zum Ueberdrusse gehört worden sind, sodann Variationen, und will man endlich das Concert recht brillant enden eine Ouverture wie zum Anfange. Musik, die keinen andern Eindruck zurücklässt, als uns im glücklichsten Falle ein Paar Stündchen amusirt zu haben, bestimmt den geistig Gebildeten nur selten zur Wiederkehr, während das wahre Gute gewiss stets von ihm in Anspruch genommen wird. Daher scheint es mir unumgänglich nothwendig, dass junge Leute von Talent jene Richtung erhalten, die sie fähig macht, ihrem Instrumente auch die edlere (declamatorische) Seite abzugewinnen, und diese Aufgabe ist es, die ich bey meiner Unterrichtsart zu lösen mir vorgenommen habe. Ich habe zu diesem Zwecke, damit der Instrumentalist vor Allem das Erste auf jedem Blasinstrumente singen lernt, die vorzüglichsten Opern, als: Crociato, Euryanthe, Fidelio, Faust, Joseph, Macbeth, Vestalin und Zauberflöte für Clarinetten, Bassethorn und Fagott, als Quartett und Quintetten arrangirt; hierdurch wird der Schüler bey Ausführung dieser Opern zugleich mit den ausgezeichnetsten Tondichtungen unserer Zeit vertraut. Um demselben aber Sinn und Geschmack für die Kammermusik beyzubringen, habe ich auch sämmtliche Quartetten von Mozart nebst Fuge, die sechs ersten Quartette von Beethoven und mehre von Haydn, für jene aber, die sich vorzugsweise dem Concertspiele widmen wollen, die vorzüglichsten Clarinett-Compositionen, als jene von Weber, Spohr, Meyerbeer, wie auch meine eigene, auf obige Weise so arrangirt, dass der Schüler bey dreymaligem Stimmenwechsel das Ganze in seine Gewalt bekommt, indem Jeder nur einen Theil des Solo's spielt. Durch diese Verfahrungsart glaube ich eimen doppelten Zweck zu erreichen, der Solospieler lernt, indem er auch zugleich Accompagnateur ist, dichten, dass er sich nicht zu sehr seiner Phantasie (will er anders gut accompagnirt seyn) überlassen darf, der Accompagnateur erkennt dagegen die Nothwendigkeit, dass er dem Solospieler nicht nur nach dem Tacte, sondern demselben in allen kleinen Capricen zu folgen verpflichtet ist.–
Indem ich glaube meine Ansicht nunmehr hinlänglich ausgesprochen zu haben, erkläre ich nur noch, der Ueberzeugung zu seyn, dass jeder Schüler, ausgestattet mit den von mir im Eingange erwähnten Fähigkeiten, binnen Jahresfrist den Zweck erreicht haben dürfte, welcher ihn meinen Unterricht zu geniessen bestimmt.
Der Preis ist jährlich 25 Carolin oder 275 Gulden Rhein., wovon die Hälfte beym Eintritte, nach Verlauf von sechs Monaten aber die andere Hälfte zu entrichten ist. Wer länger als ein Jahr zu bleiben wünscht, bezahlt sodann monatlich das Treffende mit 22 Fl. 55 Kr.– Es bedarf übrigens wohl keiner Erwähnung, dass der Unterzeichnete, wenn man es wünschen sollte, gern dazu sich versteht, dem Schüler Quartier, und was ihm sonst noch nöthig ist, zu verschaffen.
München, im April 1832.
Heinrich Baermann,
erster Clarinettist Sr. Maj. des Königs von Bayern.
Offer.
The undersigned has decided to give lessons to young, talented musicians who have already mastered the mechanism of their instrument in a significant way, but still wish to train themselves intellectually. - The sad experience is that almost everywhere (with few exceptions) the instrumentalist believes he has done enough when, piling difficulty upon difficulty, he performs with precision and thus earns the raucous applause of those who only know how to judge dexterity, but have no concept of the real and true nature of art, expression of the soul, passion in all its nuances, and so on. The undersigned, however, believes that only by possessing the above qualities can the artist secure his perpetual, equal recognition. - People now generally complain about the decline of concerts; shouldn't the reason perhaps lie in the fact that the way in which concerts are now given tends to put off truly educated music lovers rather than make them receptive to them? After all, who can be interested more than once, or at most twice, in pieces of music that are based on mere mechanism and artists who only know how to show dexterity? Just look at today's concert advertisements, where you will rarely find anything other than an overture from some popular opera, a concertino composed of themes heard hundreds and hundreds of times, a few arias, which, of course, are taken from operas that have already been heard to excess for the convenience of the singers, then variations, and finally, if you want to end the concert quite brilliantly, an overture as at the beginning. Music that leaves no other impression than that of having amused us for a couple of hours in the happiest case, rarely makes the spiritually educated return, while the true good is certainly always taken up by him. Therefore, it seems to me absolutely necessary that young people of talent should receive that direction which will enable them to gain the nobler (declamatory) side of their instrument, and it is this task which I have undertaken to solve in my way of teaching. For this purpose, so that the instrumentalist learns to sing the first on every wind instrument, I have chosen the most excellent operas as: Crociato, Euryanthe, Fidelio, Faust, Joseph, Macbeth, Vestalin and The Magic Flute for clarinets, bass horn and bassoon, arranged as quartets and quintets; in this way the pupil becomes familiar with the most excellent tone poems of our time while performing these operas. In order to instil in him a sense and taste for chamber music, I have also included all of Mozart's quartets and fugues, the first six quartets by Beethoven and several by Haydn, but for those who prefer to devote themselves to concert playing, the most excellent clarinet compositions, such as those by Weber, Spohr, Meyerbeer, as well as my own, arranged in the above manner in such a way that the pupil obtains command of the whole by changing parts three times, each playing only one part of the solo. I believe that this method achieves a twofold purpose: the soloist learns, as he is also the accompanist, that he must not leave himself too much to his imagination (if he wants to be well accompanied in other ways), while the accompanist recognises the necessity of following the soloist not only according to the measure, but also in all the small caprices.
Now that I believe I have sufficiently expressed my opinion, I only declare that I am convinced that every pupil, equipped with the abilities I mentioned at the beginning, should have achieved the purpose of enjoying my lessons within a year.
The annual fee is 25 Carolin or 275 guilders Rhine, half of which is to be paid on admission, the other half after six months. Anyone wishing to stay for longer than one year will then pay the monthly meeting fee of 22 fl. 55 kr. - Incidentally, it goes without saying that the undersigned will be happy to provide the student with accommodation and whatever else he may need, should he so desire.
Munich, April 1832.
Heinrich Baermann,
First Clarinettist to His Majesty the King of Bavaria.
Post-edited Deepl translation