Mark Twain in German-Language Newspapers and Periodicals

Der falsche M[a]rk Twain | 10 Jan. 1906


Indiana tribüne. (Indianapolis, Ind.), 10 Jan. 1906. Chronicling America: Historic American Newspapers. Lib. of Congress. <https://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn83045241/1906-01-10/ed-1/seq-6/>
TranscriptionEnglish Translation
Der falsche Mark TwainThe wrong Mark Twain
Eine lustige Gaunergeschichte von Eugen Isolani.A funny crook story by Eugen Isolani.
Die lustige Gaunergeschichte, die ich berichten will, ereignete sich vor ein paar Jahren in einer Stadt im Staate Texas.The crook story I want to tell happened a few years ago in a town in the state of Texas.
Das Interesse für die Literatur ist in dem Orte ein reges, und ein literarischer Verein hat zahlreiche Theilnehmer, die den Vorträgen, welche daselbst gehalten werden, gerne lauschen.Interest in literature is lively in that town, and a literary society has numerous participants who enjoy listening to the lectures held there.
Man kann sich daher leicht die freudige Aufregung in jenem Vereine vor stellen, welche ein Mitglied desselben, Mr. Webster, durch die Nachricht hervorrief, daß er auf seine eigenen Kosten Mark Twain, den berühmten amerikanischen Humoristen, kommen lassen wolle, damit er im Verein ein paar seiner Humoresken vorlese.It is therefore easy to imagine the joyful excitement in that society which a member of it, Mr. Webster, caused by the news that he was going to have Mark Twain, the famous American humorist, come at his own expense to read a few of his humoresques to the society.
Mr. Webster war ein reicher Kaufmann des Ortes, der durch den Vekkauf von Baumwolle nach England sich in kurzer Zeit ein tüchtiges Vermögen erworben hatte. Er hatte den Ehrgeiz, eine Rolle zu spielen, aber weniger geistige Befähigung dazu. Im literarischen Verein, dem er als Mitglied angehörte, sah man ihn stets über die Achseln an. Das genirte ihn aber nicht, auch dort das große Wort zu führen und Anträge zu stellen, die meist abgelehnt wurden.Mr. Webster was a wealthy merchant of the place, who had in a short time acquired a capable fortune by the sale of cotton to England. He had ambition to play a part, but less mental aptitude for it. In the literary society, of which he was a member, people always looked down on. But that did not prevent him from speaking out and making motions, most of which were rejected.
Nun aber mußte man ihn endlich auch im Verein anerkennen, da es ihm gelungen war, den berühmten Mark Twain für einen Vortrag zu gewinnen, und dazu konnte er noch als Mäcen sich feiern lassen, denn er war es ja, der ganz allein die Kosten für den großen Genuß, den er den Bewohnern des Ortes bieten wollte, zu tragen sich erboten hatte.Now, however, he finally had to be recognized in the association, since he had succeeded in winning the famous Mark Twain for a lecture, and in addition he could let himself be celebrated as a patron, since it was he alone who had offered to bear the costs for the great pleasure which he wanted to offer the inhabitants of the place.
Die Uneigennützigkeit Mr. Websters hatte eigentlich am meisten Staunen hervorgerufen, denn derselbe war nicht nur als reicher Kaufmann, sondern auch als ein sehr geiziger Mann im Orte bekannt, und wenn man auch durch Mr. Webster vernahm, daß Mark Twain sich auf einer Reise durch die Ver. Staaten befinde, so mußte der Abstecher nach der Stadt in Texas und das Honorar für den gefeiertst en Autor Amerikas doch immerhin ein schönes Sümmchen kosten.The unselfishness of Mr. Webster had actually caused the most astonishment, because he was not only known as a rich merchant, but also as a very stingy man in the town, and even if one heard through Mr. Webster that Mark Twain was on a trip through the United States, the detour to the city in Texas and the fee for the most celebrated author in America must have been a nice sum.
Nun, wie Mr. Webster zu seinem Mark Twain-Vortrag gekommen war, wußten freilich feine Mitbürger mcht. Das war eine ganz eigenthümliche Geschichte. Eine Woche etwa nämlich, bevor er durch seine Mittheilung die Bewohner des Dorfes überraschte, hatte er eine Geschäftsreise unternommen und als er unterwegs mit Geschäftsfreunden sein Mittagessen einnnahm, sagte einer der Herren, auf den bedienenden Kellner weisend: „Donnerwetter, der Kerl hat ja eine frappierende Ähnlichkeit mit Mark Twain!“Well, how Mr. Webster had come to his Mark Twain lecture, of course, his fellow citizens did not know. It was a very peculiar story. A week or so before he surprised the residents of the village with his announcement, he had gone on a business trip, and as he was having lunch with business friends, one of the gentlemen, pointing to the waiter serving him, said: “Gosh, that fellow bears a striking resemblance to Mark Twain!”
„Das ist mir schon oftmals gesagt worden!“ rief der Kellner aus, der jene Worte gehört hatte.“I've been told that many times!” exclaimed the waiter, who had heard those words.
Das hatte nun in dem Kopfe des schlauen Mr. Webster gewirkt. Er nahm sich, als er allein war, den Kellner, der dem Mark Twain ähnlich war, vor, fragte ihn, ob er gut lesen könne und ob er sich einen guten Extraverdienst machen wolle.This had now taken effect in the mind of the shrewd Mr. Webster. He approached the waiter, who resembled Mark Twain, when he was alone, and asked him if he could read well, and if he wanted to make a good extra buck.
Das erste bejahte der Kellner, und auch die zweite Frage verneinte er nicht.The waiter answered the first question in the affirmative, and he did not deny the second question either.
Und so rückte denn der smarte Mr. Webster mit dem Vorschlage heraus, daß der Kellner als Mark Twain auftreten solle. Da er ja nur aus den Büchern Mark Twains etwas vorzulesen brauche, sei die Aufgabe nicht sehr schwer, die er zu lösen habe.And so the smart Mr. Webster came out with the proposal that the waiter should appear as Mark Twain. Since he only had to read something from Mark Twain's books, the task he had to solve was not very difficult.
Na, der Kellner ließ sich nicht lange bitten. Mr. Webster ließ sich noch vorsichtshalber von ihm aus einem Mark Twain'schen Buche, das er kaufte, etwas vorlesen, und als der smarte Kaufmann sah, daß sein falscher Mark Twain so gut lesen konnte, wie ein echter, wurde man handelseinig. Ueber den Tag, da die Vorlesung in dem Orte stattfinden sollte, wollte ihm Mr. Webster noch Mittheilung machen.Well, the waiter didn't have to ask for long. To be on the safe side, Mr. Webster had him read something from a Mark Twain book he had bought, and when the smart merchant saw that his fake Mark Twain could read as well as a real one, they came to an agreement. Mr. Webster still wanted to inform him about the day when the lecture was to take place in the town.
So war man auseinander gegangen, nachdem noch Mr. Webster den Kellner genau instruirt hatte, daß er den Leuten sagen müsse, er erhalte von Mr. Webster baare 500 Dollars und dazu die Reisekosten ersetzt. Unter dem würde er nicht nach Texas gekommen sein.So they parted, after Mr. Webster had instructed the waiter that he had to tell the people that he would receive 500 dollars from Mr. Webster and that he would be reimbursed for his travel expenses. Below that he would not have come to Texas.
Kaum aber war Mr. Webster fort, da überlegte sich der falsche Mark Twain die Angelegenheit noch einmal ganz allein. Er fagte sich, wenn er für den reichen Kaufmann den Mark Twain spielen solle, so müsse sich der auch die Sache etwas mehr kosten lassen, als nur zehn Dollars, die ihm versprochen worden waren.But no sooner had Mr. Webster left than the fake Mark Twain reconsidered the matter all by himself. He figured that if he was to play Mark Twain for the rich merchant, he would have to pay a little more than the ten dollars he had been promised.
Und demgemäß trat er denn auch auf, als der große Tag seiner Vorlesung herangebrochen war. Mit Mr. Webster hatte er verabreder, daß er so spät wie möglich eintreffen würde und sofort nach dem Vortrage wieder abreisen müßte. Von diesen Programmnummern führte er nur die erste aus.And so he appeared when the big day of his lecture arrived. He had arranged with Mr. Webster that he would arrive as late as possible and would have to leave immediately after the lecture. Of these program numbers he carried out only the first.
Als nun der Vorsitzende des literarischen Vereins den illustren Gast in einer feierlichen Ansprache begrüßte und sein Bedauern darüber aussprach, daß sich der berühmte Schriftsteller nur so kurze Zeit in der Stadt aufhalten könnte, und daß der Verein daher leider nicht in der Lage sei, zu Ehren eines so hervorragenden Gastes eine Festsitzung zu veranstalten, da überlegte sich der falsche Mark Twain, der etwas berauscht von dem ihm entgegentönenden Jubel war, den er erregt hatte, und sagte zum Schrecken des Mr. Webster, daß er, durch den unerwartet freundlichen Empfang bewogen, doch noch die Nacht über und den nächsten Tag bleiben wolle, was ungeheure Freude bei allen Bewohnern der Stadt erregte.When the chairman of the literary society welcomed the illustrious guest in a solemn speech and expressed his regret that the famous writer could only stay in the city for such a short time, and that the society was therefore unfortunately not in a position to organize a festive meeting in honor of such an outstanding guest, the false Mark Twain, who was somewhat intoxicated by the cheers he had received, thought it over and said, to the horror of Mr. Webster, that he wanted to stay the night and the next day after all, which caused immense joy among all the inhabitants of the city.
Die Vorlesung ging denn auch so ziemlich gut vonstatten. Als immer wieder Beifall geklatsch wurde und „Mark Twain“ immer noch etwas zugeben sollte, entschuldigte er sich schließlich, daß er nun doch müde sei und sich in's Hotel begeben müßte - natürlich hatte er das beste Hotel des Ortes gewählt -, daß er aber verspreche, bei einem zwanglos gemüthlichen Aben, zu dem sie morgen zusammen kommen sollten, seinen begeisterten Verehrern noch mehr zu bieten. Jetzt müßte er unbedingt das Nachtlager aufsuchen.The lecture went quite well. When applause kept coming and “Mark Twain” was still invited to give encores, he finally excused himself, saying that he was tired and had to go to the hotel - of course he had chosen the best hotel in town - but that he promised to offer his enthusiastic admirers even more stories at an informal evening, to which they were to get together tomorrow. Now he would absolutely have to go to bed for the night.
Mit einem jubelnd aufgenommenen „Guten Tag! Auf morgen denn!“ schied er aus dem Kreise seiner begeisterten Verehrer, nur begleitet von Mr. Webster, der dem Kellner nicht geringe Vorwürfe machte, daß er so unprogrammmäßig sich benommen habe. Er wollte ihn nun überreden, gleichwohl sofort abzureisen, doch wußte ihn der Kellner sehr leicht 'davon zu überzeugen, daß das unmöglich sei, denn er könne nicht auf Kosten des echten Mark Twain sich so verdächtig benehmen. Da würde man ja sofort den Betrug entdecken. Na, das sah denn auch Mr. Webster ein und machte gute Miene zum bösen Spiel, indem er ihn für den anderen Tag zum Mittagessen einlud. „Habe ich ihn unter meinen Fittichen, dann kann er wenigstens keine Dummheiten machen !“ so mochte er sich denken.With a jubilantly received “Good Night! Until tomorrow then!” he left the circle of his enthusiastic admirers, accompanied only by Mr. Webster, who reproached the waiter in no small way for having behaved so out of program. He wanted to persuade him to leave immediately, but the waiter easily convinced him that this was impossible, because he could not behave so suspiciously at the expense of the real Mark Twain. The fraud would be discovered immediately. Well, Mr. Webster saw that too and put a good face on the matter by inviting him to lunch the next day. “If I have him under my roof, then at least he can't do anything stupid,” he might have thought.
Der falsche Mark Twain aber las am anderen Moraen die begeistertsten Berichte über seine Vorlesung in der Zeitung, in der natürlich auch nicht die freudige Mittheilung fehlte, daß sich der hocherzige, berühmte Schriftsteller freundlichst herbeigelassen habe, noch am selben Abend den Bürgern der Stadt einen Extra-Genuß unentgeltlich zu bieten. „Freilich,“ so hieß es in der Mittheilung, „habe sich auch Mr. Webster die Gewinnung des berühmten Gastes eine Riesensumme Geld kosten lassen.“The fake Mark Twain, however, read the most enthusiastic reports about his lecture in the newspaper on the other morning, in which, of course, the joyful announcement was also not missing that the high-minded, famous writer had kindly agreed to offer the citizens of the city an extra treat free of charge that very evening. “Of course,” the notice went on, “Mr. Webster had also let the acquisition of the famous guest cost him a huge sum of money.”
Als der falsche Mark Twain die letzten Zeilen las, schmunzelte er ganz besonders, denn nun konnte ihm die Ausführung seines Vorhabens keine besonderen Schwierigkeiten bereiten.When the fake Mark Twain read the last lines, he smiled especially, because now the execution of his plan could not cause him any special difficulties.
Er machte sich auf den Weg zu den ersten Geschäften der Stadt und kaufte die kostbarsten Sachen zusammen; sämtliche Juweliere der Stadt beehrte er mit seinem Besuche. Ueberall erzählte er, daß er Mittags bei Mr. Webster zu Gast sei, da würde er sein Honorar empfangen, - augenblicklich habe er nicht genügend Geld bei sich - er würde den Betrag am Nachmittag senden. Wer würde einem Mark Twain nicht trauen, in allen Läden war sein Porträt ausgestellt, dazu waren die Kaufleute sämmtlich in der gestrigen Vorlesung gewesen und wollten dem heutigen Abend beiwohnen, zu dem noch eine besondere Ehrung des berühmten Schriftstellers vermutet war. So fühlte sich jeder geschmeichelt, daß Mark Twain bei ihm kaufte, und mit der geringsten Mühe scharrte der Kellner für einige tausend Dollars Kostbarkeiten zusammen.He set out for the first stores of the city and bought the most precious things from them; he paid visits to all the jewelers of the city. He told everyone that he would be Mr. Webster's guest at noon, where he would receive his fee - he did not have enough money with him at the moment - he would send the amount in the afternoon. Who would not trust a Mark Twain, in all stores his portrait was exhibited, in addition the merchants had all been to yesterday's lecture and wanted to attend tonight's event, for which a special tribute to the famous writer was expected. So everyone felt flattered that Mark Twain was buying from them, and with the least effort the waiter scraped together several thousand dollars worth of valuables.
Mittags aber, als Mr. Webster seinen Gast erwartete, kam ein Briefchen, das etwa den folgenden Inhalt hatte: „Verehrter Mr. Webster! Ich habe soeben ein Telegramm erhalten, das mich schleunigst zur Abreise zwang. In den nachfolgend benannten Geschäften habe ich einige Einkäufe gemacht; die Rechnungen, bitte ich Sie sofort von meinem Honorar zu begleichen. Im literarischen Verein übernehmen Sie es wohl, mich bei meinen zahlreichen Verehrern zu entschuldigen und ihnen meine Grüße zu überbringen. Mark Twain.“But at noon, when Mr. Webster was waiting for his guest, a letter arrived with something like the following content: “Dear Mr. Webster! I have just received a telegram which compelled me to leave at once. I have made some purchases in the stores named below; I ask you to settle the bills immediately out of my fee. At the literary society, I suppose you will kindly take it upon yourself to excuse me to my numerous admirers, and to convey to them my greetings. Mark Twain.”
Was sollte Mr. Webster thun? Er mußte zahlen, sonst war er bei seinen Mitbürgern fernerhin unmöglich.What was Mr. Webster to do? He had to pay, otherwise he would suffer the reproach of his fellow citizens.

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