Mark Twain hat dieser Tage in Wien eine Vorlesung gehalten, wobei er unter Anderem eine satirische Slizze „Der alte Widder des Großvaters“ zum Besten gab. Wie wir einem Bericht der „Neuen Freien Presse“ entnehmen, führte der Redner Folgendes aus: Es gebe Menschen, deren Unglück ein zu gutes Gedächtniß ist, die nie bei einer Sache bleiben können, die durch ein Wort, einen Namen abgelenkt werden, vom Hundertsten in's Tausendste gerathen und nur das nicht sagen, was sie haben sagen wollen. Einen solchen Mann kannte Mark Twain, und er und seine Freunde wußten, daß er eine sehr schöne Geschichte von seinem Großvater und einem Widder zu erzählen hatte, aber es war ihnen nicht möglich, so oft sie es auch versuchten, die Geschichte aus ihm herauszubringen. Er fing immer damit an, daß sein Großvater den Widder in Calaveras von einem gewissen John gekauft hatte, den Familiennamen dieses John wußte er nicht, sonst wäre er schon hier abgezweigt. Also er führte den Widder auf die Wiese, und am nächsten Morgen ging er selbst hin, und da fiel ihm ein, er habe auf der Wiese einmal ein Zehn-Centstück verloren. Das begann er nun zu suchen; er bückte sich dabei zur Erde und suchte und suchte. Der Bock faßte das als Herausforderung auf; er dachte, der Großvater bückte den Kopf tief, weil er stoßen wollte, und wenn nicht Smith dahergekommen wäre, Smith aus Yolo County, sehr gute Familie - es gibt in der ganzen Gegend keine Smiths, die mit diesen Smiths konkurriren können - einer davon hat eine Whittaker geheirathet; na, das wißt Ihr ja, was das für Leute sind, bei denen haben alle Söhne und Töchter gut geheirathet, mit Ausnahme Williams, den haben sie gehenkt, ehe er verheirathet war. Aber die bravste von ihnen Allen war doch die Sophie. Die hat das letzte Hemd verschenkt, ein Herz von Gold. Sie hatte ein Glasauge, das hat sie auch manchmal hergeliehen der Miß Watson, die auch nur ein Auge hatte. Der hat es zwar nicht gepaßt. Sophie, die hatte ein Auge Nr. 11, und Miß Watson, die hätte Nr. 14 gebraucht - sie steckte es mit Watte fest, aber die Watte drängte dann heraus, und das sah so fürchterlich aus, daß die Kinder den Anblick nicht ertragen konnten und vor Entsetzen aufschrien. Manchmal fiel es ganz heraus, das wußte aber Miß Watson nicht, weil sie blind war auf der Seite, und sie steckte es beschämt schnell wieder hinein, wenn man sie aufmerksam machte. Da kam es denn oft mit der Rückseite nach vorne, die war vergoldet, und da paßte es nicht zum anderen Ange, das braun war. Uebrigens paßte es niemals, denn es war blau, schön himmelblau, und es sah gerade aus, und manchmal, wenn Miß Watson böse war und ihr gutes Auge funkelte, dann sah das Glasauge daneben so friedlich drein, wie ein Stückchen Himmel. Sie war mit den Hogadorns verwandt - der Hogadorn, der besser fluchen konnte als irgend wer Anderer - seine zweite Frau war eine Wittwe, und deren Tochter aus erster Ehe hatte einen Missionär geheirathet, mit dem sie nach China ging. Sind Beide glücklich gestorben, von ihrer Gemeinde aufgefressen, rein aus Mißverständniß - und sie haben auch versprochen, es nicht wieder zu thun. Das brachte ihn auf einen anderen ungewöhnlichen Menschen, der einmal bei einer Gruppe lärmender junger Leute die längste Zeit stillschweigend dagesessen war, bis Jim Blaine sich plötzlich allein mit ihm sah. Da berührte der Fremde mit einem Finger seinen Arm und stieß einen leisen Pfiff dabei aus, dann berührte er ihn wieder und pfiff wieder und so ein drittes Mal, bis Jim Blaine ihn fragte, warum er immer pfeife. Da erzählte der Fremde eine lange abenteuerliche Geschichte, stotternd, pustend, stockend, und wenn ein Zischlaut kommen sollte, dann pfiff er allemal. - Das ist die verbürgte Geschichte vom alten Widder des Großvaters. | Mark Twain gave a lecture in Vienna these days, during which he presented, among other things, a satirical sketch “The Grandfather's Old Ram”. As we learn from a report in the “Neue Freie Presse”, the speaker stated the following: There are people whose misfortune is to have too good a memory, who can never stick to one thing, who are distracted by a word, a name, who get carried away from one tiny detail to the next, and therefore fail to say what they wanted to say. Mark Twain knew such a man, and he and his friends knew that he had a very nice story to tell about his grandfather and a ram, but no matter how often they tried, they were never able to get the story out of him. The man always started by saying that his grandfather had bought the ram in Calaveras from a certain John; he didn't know this John's family name or he would have branched off here already. So he had taken the ram to a meadow, and the next morning he went there himself, and then he remembered that he had once lost a ten-cent coin in the meadow. He began to look for it; he bent down to the ground and searched and searched. The animal took that as a challenge; it thought that the grandfather was bending his head low because he wanted to ram the animal, and if Smith hadn't come along, Smith from Yolo County, very good family - there are no Smiths in the whole area who can compete with these Smiths - one of them married a Whittaker; well, you know what kind of people they are, all their sons and daughters married well, with the exception of Williams, who was hanged before he got married. But the kindest of them all was Sophie. She would have given away her last shirt; a heart of gold. She had a glass eye, which she sometimes lent to Miss Watson, who also only had one eye. It didn't fit her, though. Sophie, she had an eye no. 11, and Miss Watson, she would have needed a no. 14 - she stuck it in with cotton, but the cotton would push it out, and it looked so terrible that the children couldn't bear to look at it and would cry out in horror. Sometimes the eye fell out altogether, but Miss Watson wouldn't notice, because she was blind on that side, and when it was called to her attention, she would quickly put it back in again, ashamed. The eye would also often be positioned backwards with the gold-pleated back to the front, which didn't fit with Miss Watson's other eye, which was brown. It never really matched anyway, by the way, because the glass eye was blue, a beautiful sky blue, and it looked straight ahead, and sometimes, when Miss Watson was angry and her good eye sparkled, the glass eye next to it looked so peaceful, like a piece of the sky. She was related to the Hogadorns - the Hogadorn who could swear nobody else could - his second wife was a widow, and her daughter from her first marriage had married a missionary with whom she had gone to China. Both died happily and they were eaten by the congregation, a mere misunderstanding - and they also promised not to do it again. This brought him [the storyteller] to another unusual person who had once sat silently with a group of noisy young people for the longest time, until Jim Blaine suddenly found himself alone with him. Then the stranger touched his arm with one finger and emitted a low whistle as he did so, then he touched him again and whistled again and a third time, until Jim Blaine asked him why he was always whistling. Then the stranger told a long adventurous story, stuttering, blowing, halting, and when a hissing sound should come, he whistled every time. - This is the authentic story of the grandfather's old ram. |