-- Der amerikanische Humorist Mark Twain wohnte in Wien der jüngsten stürmischen Sitzung des österreichischen Parlaments bei. Er blieb bis nach Mitternacht, bis zum Beginn der namentlichen Abstimmungen im Saal und begab sich dann, von einigen Wiener Journalisten begleitet, in die Restauration, wo er zu seiner Erfrischung ein Glas Bier nahm. Hier fanden sich bald zahlreiche Abgeordnete ein, um den amerikanischen Gast in der Nähe zu sehen. Namentlich die sozialdemokratischen Abgeordneten erschienen vollzählig und betrachteten ihn mit großem Interesse. Mark Twain äußerte den Wunsch, den Abgeordneten Dr. Otto Lecher kennen zu lernen. Dr. Lecher kam, als ihm der Wunsch Mark Twains mitgetheilt wurde, in die Restauration und Beide verweilten längere Zeit im Gespräche mit einander. Einer der Parlamentarier, welcher Mark Twains Bekanntschaft machte, fragte ihn, ob er Aehnliches wie diese Sitzung schon erlebt habe. Mark Twain schloß die Augen und dachte nach, dann sagte er in seiner langsamen ernsten Weise: „Ich war einmal in Amerika dabei wie sich eine große Volksversammlung bildete, weil ein Herr irrthümlicher Weise mit dem Pferd eines anderen Herrn davongeritten war. Es gab schon einigen Skandal, ehe man seiner habhaft wurde, dann aber begann die Discussion, was mit ihm zu geschehen habe, die dadurch abgebrochen wurde, daß man ihn für's Erste aufhenkte. Hierauf bildete sich ein Gerichtshof, der nun über den Leichnam zu Gericht saß das Urtheil sprach und die Vollziehung der Strafe guthieß. Bei dieser Scene ist es auch sehr lebhaft zugegangen, und der heutige Abend glich ihr in vielen Punkten, aber was Lärm und gleichzeitiges Reden betrifft, gebe ich doch dem österreichischen Reichsrath den Vorzug. Ich muß auch denken, daß Jemand dabei der Gehenkte sein wird nur ist mir das nach so kurzer Beobachtung nicht ganz klar.“ | -- The American humorist Mark Twain attended the most recent tumultuous session of the Austrian Parliament in Vienna. He remained in the hall until after midnight, until the beginning of the nominal votes, and then, accompanied by some Viennese journalists, went to the restaurant, where he took a glass of beer for his refreshment. Here, numerous members of parliament soon gathered to see the American guest up close. In particular, the Social Democrats appeared in full attendance and regarded him with great interest. Mark Twain expressed his wish to meet Dr. Otto Lecher, a member of parliament. When Dr. Lecher was informed of Mark Twain's wish, he came to the restaurant and both lingered for a long time in conversation with each other. One of the parliamentarians who made Mark Twain's acquaintance asked him if he had experienced anything similar to this meeting. Mark Twain closed his eyes and thought, then said in his slow, serious way: “I was once in America when a great assembly of the people was formed because a gentleman had mistakenly ridden off with another gentleman's horse. There was some scandal before he was apprehended, and then the discussion began as to what should be done with him. It was broken off by hanging him for the time being. Thereupon a court was formed, which sat in judgment over the corpse, pronounced the verdict and approved the execution of the punishment. This scene was also very lively, and that evening was similar to tonight in many respects, but as far as noise and simultaneous speaking are concerned, I prefer the Austrian Reichsrath. I must also think that someone will be the hanged man, but it is not quite clear to me after such a short observation who that would be.” |