In seiner Selbstbiographie in der „North American Review“ erzählt der bekannte Humorist Mark Twain folgende niedliche Geschichte, wie er vor einem Duell bewahrt wurde. Es war 1864, und Mark Twain war Lokalredakteur der Zeitung „Entreprise“ in Virginia City, Nevada. Dort grassirte damals die Duellwuth. Mark Twain hatte im Arizona Kicker-Stil den Redakteur des Konkurrenzblattes, einen gewissen Laird, von der Virginia „Union“, scharf angegriffen. Dessen Erwiderung war so herausfordernd, daß Mark Twain den „Kollegen der anderen Fakultät“ durch Stave Giltis, einen Freund, zum Duell auffordern ließ. Am nächsten Morgen begab er sich mit seinem Sekundanten, einem vorzüglichen Pistolenschützen, in aller Frühe nach einer kleinen Bergschlucht in der Nähe der Stadt, um sich im Schießen zu üben. Sie zimmerten die Thür eines Stalles zurecht und stellten einen Holzzaun davor, der den Gegner repräsentieren sollte. „Ich schoß nun“, so erzählt der Humorist, „immer auf den Zaun los, traf ihn aber nicht, dann knallte ich auf die Stallthür los traf sie auch nicht, und so war niemand in Gefahr, als etwa ein Vagabund, der an den Seiten herumstrolchte. Mein Blut sank auf den Gefrierpunkt und hob sich auch nicht, als wir auf einmal von der nächsten Bergschlucht her Pistolenschüsse vernahmen. Ich wußte sofort, sie konnten nur von Lairds Gefährten herrühren, die ihn in die höhere Schießkunst einweihten. Sie mußten meine Schüsse hören und würden wohl bald über den Abhang herüber kommen, um meine Fortschritte zu bewundern und sich durch den Augenschein zu überzeugen, wie mein Rekord stände. Nun, ich hatte keinen Rekord und wußte, wenn Laird herüberkäme und meine Stallthür so schön unversehrt sähe, daß er ebenso kampfwüthig sein würde, wie ich es war, oder hm. wenigstens um Mitternacht gewesen war, bevor er meine kühne Herausforderung angenommen. Just in diesem Augenblick flog ein kleiner Vogel, nicht größer als ein Sperling, auf und ließ sich etwa achtzig Fuß weit auf einem Beifußstrauch nieder. Stave, rasch wie der Blitz, zog seinen Revolver hervor und schoß ihm den Kopf ab. Ja, er war wirklich ein Schütze, viel besser noch als ich selbst. Wir rannten hin. um den Vogel aufzuheben, gerade als Laird mit seinen Leuten dazu kam. Wie dessen Sekundant den abgeschossenen Kopf erblickte, entfärbte er sich, schrumpfte förmlich zusammen. Man konnte also sehen, daß er an der Sache interessirt war. Schließlich sagte er: „Wer hat das gethan?“ Ehe ich noch antworten konnte, sagte Stave, als wär' es die selbstverständlichste Sache von der Welt, „Clemens war's.“ Der Sekundant erwiderte: „Nein, das ist wunderbar; wie weit weg war der Vogel?“ Stave sagte: „Ach nicht weit - etwa achtzig Fuß“, worauf der Sekundant fragte, wie oft Clemens das wohl fertig brächte. „Hm“, sagte Stave, ganz oben hin. „etwa viermal auf fünf.“ Ich wußte, daß der Teufelskerl log, aber ich schwieg, worauf der Sekundant noch ausrief: „Es war ein Kapitalschuß, und ich dachte, er konnte keine Kirche treffen.“ Damit dachte er ganz richtig, aber ich sagte keinen Ton. Sie empfahlen sich. Der Sekundant nahm Laird, dessen Knie etwas schlotterten, unterm Arm, und am nächsten Morgen empfing ich von meinem Gegner ein Schreiben des Inhalts, daß er unter keinerlei Bedingung sich auf ein Duell mit mir einlasse. Mein Leben war also gerettet, und zwar durch den kleinen Zwischenfall. Später erfuhren wir, daß Laird auf seinem Schießstande viermal auf sechs getroffen hatte. Wenn das Duell nun wirklich zustande gekommen wäre, so hätte er sicherlich meinen Leib so durchlöchert, daß selbst meine Prinzipien keinen Platz mehr darin gefunden hätten. | {In his autobiography in the “North American Review”, the well-known humorist Mark Twain tells the following cute story about how he was saved from a duel. It was 1864, and Mark Twain was local editor of the newspaper “Entreprise” in Virginia City, Nevada. At that time, the duelling rage was rampant there. Mark Twain had - in Arizona Kicker style - sharply attacked the editor of a competing paper, a certain Laird, of the Virginia “Union”. The latter's retort was so challenging that Mark Twain had the “colleague of the other faculty” challenged to a duel by Stave Giltis [Steve Gillis], a friend. Early the next morning, he and his second, an excellent pistol marksman, went to a small glen near town to practice shooting. They prepared the door of a stable and placed a wooden fence in front of it to represent the enemy.} “I began on the rail.” {the humorist explains,} “I couldn't hit the rail; then I tried the barn door; but I couldn't hit the barn door. There was nobody in danger except stragglers around on the flanks of that mark. I was thoroughly discouraged, [translated as "my blood cooled to the point of freezing"] and I didn't cheer up any when we presently heard pistol-shots over in the next little ravine. I knew what that was - that was Laird's gang out practising him. They would hear my shots, and of course they would come up over the ridge to see what kind of a record I was making - see what their chances were against me. Well, I hadn't any record; and I knew that if Laird came over that ridge and saw my barn door without a scratch on it, he would be as anxious to fight as I was - or as I had been at midnight, before that disastrous acceptance came. Now just at this moment, a little bird, no bigger than a sparrow, flew along by and lit on a sage-bush about thirty yards away. Steve whipped out his revolver and shot its head off. Oh, he was a marksman - much better than I was. We ran down there to pick up the bird, and just then, sure enough, Mr. Laird and his people came over the ridge, and they joined us. And when Laird's second saw that bird, with its head shot off, he lost color, he faded, and you could see that he was interested. He said: “Who did that?” Before I could answer, Steve spoke up and said quite calmly, and in a matter-of-fact way, “Clemens did it.” The second said, “Why, that is wonderful. How far off was that bird?” Steve said, “Oh, not far - about thirty yards.” The second said, “Well, that is astonishing shooting. How often can he do that?” Steve said languidly, “Oh, about four times out of five.” I knew the little rascal was lying, but I didn't say anything. The second said, “Why, that is amazing shooting; I supposed he couldn't hit a church.” He was supposing very sagaciously, but I didn't say anything. Well, they said good morning. The second took Mr. Laird home, a little tottery on his legs, and Laird sent back a note in his own hand declining to fight a duel with me on any terms whatever. Well, my life was saved - saved by that accident. <I don't know what the bird thought about that interposition of Providence, but I felt very, very comfortable over it—satisfied and content.> Now, we found out, later, that Laird had hit his mark four times out of six, right along. If the duel had come off, he would have so filled my skin with bullet-holes that it wouldn't have held my principles. |