Mark Twain in German-Language Newspapers and Periodicals

Mark Twain geisteskrank? | 13 Jan. 1881


Scranton Wochenblatt. [volume] (Scranton, Pa.), 13 Jan. 1881. Chronicling America: Historic American Newspapers. Lib. of Congress. <https://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn86053936/1881-01-13/ed-1/seq-2/>
The following article is a slightly shortened translation of an English-language article which was originally published in The Sun (New York) on 28 Dec. 1880 and reprinted in different versions in various newspapers over the following months.
TranscriptionEnglish Translation
Mark Twain geisteskrank?Mark Twain insane?
Aus Hartford, Conn., kommt die betrübende Mittheilung, daß der geistreiche amerikanische Humorist Samuel L. Clemens, besser Bekannt unter dem Pseudonym Mark Twain, periodischen Anfällen von Geistesstörung unterworfen sei. Ein Correspondent der „N.Y. Sun“ berichtet darüber folgendes:From Hartford, Conn., comes the saddening announcement that the witty American humorist Samuel L. Clemens, better known under the pseudonym Mark Twain, is subject to periodic attacks of mental disorder. A correspondent of the “N.Y.. Sun” reports the following about it:
Es ist bekannt, daß Herr Clemens häufig von Anfällen tiefster Melancholie heimgesucht wird, die gewöhnlich in Hallucinationen des bizarresten Charakters zu gipfeln pflegen. Nach einem dieser Anfälle wurde er von einem plötzlichen und unerklärlichen, aber ganz intensiven Haß gegen eine Büste Calvin's erfaßt, die Frau Clemens als ein Hochzeitsgeschenk von ihrem Onkel erhalten hatte. Mark Twain bildete sich ein, daß dieser harmlose Gegenstand ihm Uebel zufügen wolle; und nachdem er zuerst seinen imaginären Feind durch Anmalen eines Schnurr- und Kinnbartes schimpfiirt hatte, schlug er ihn schließlich mit einem Feuerhaken in Stücke. Ein andermal erfaßte ihn die Idee er sei der Redakteur von Gen. Hawley's Zeitung „The Courant“, und seine Illusion führte ihn in eine Reihe von Verwicklungen, die amüsant wären, wenn sie nicht eine so traurige Veranlassung hätten. Während eines anderen Anfalles machte er den Versuch, beim Gottesdienste in Rev. Twitchell's Kirche eine Kollekte einzusammeln, in der Meinung, er sei der Diakon. Aehnliche Illusionen veranlaßten ihn verschiedene Male zu dem Versuche, in der Politik eine active Rolle zu spielen.It is well known that Mr. Clemens is frequently afflicted with fits of the deepest melancholy, which usually tend to culminate in hallucinations of the most bizarre character. After one of these attacks he was seized by a sudden and inexplicable but quite intense hatred of a bust of Calvin which Mrs. Clemens had received as a wedding present from her uncle. Mark Twain imagined that this harmless object wanted to do him harm; and after first berating his imaginary enemy by painting a mustache and chin beard, he finally smashed it to pieces with a fire poker. Another time, he was seized with the idea that he was the editor of Gen. Hawley's newspaper, “The Courant,” and his illusion led him into a series of entanglements that would be amusing if they did not have such a sad inducement. During another fit he made an attempt to take up a collection at the service in Rev. Twitchell's church, thinking he was the deacon. Similar illusions led him several times to attempt to play an active role in politics.
„Obgleich ich wußte, - fährt der Correspondent fort - daß Clemens seit seiner Rede bei dem Grant-Banket wieder von einem Melancholie-Anfalle erfaßt worden war, hatte ich doch bis heute keine Ahnung, in welcher Form derselbe diesmal sich äußerte. Die Mittheilung eines Freundes veranlaßte mich, Clemens in seiner Wohnung aufzusuchen. An der Thüre wurde mir mitgetheilt, daß ich ihn im Hofraume hinter der Scheune finden würde. Dorthin lenkte ich meine Schritte und erblickte den Humoristen auf einer leeren Holzkiste stehend. Er stand da in aufrechter Haltung, die Arme fest an die Seiten gepreßt. Er trug einen langen „Ulster“, der ihm bis zu den Knöcheln reichte, und auf dem Kopfe hatte er einen spitzen Tirolerhut. Sein Gesicht hatte einen feierlichen Ausdruck.“Although I knew - the correspondent continues - that Clemens had again been seized by a fit of melancholy since his speech at the grant banquet, I still had no idea in what form it manifested itself this time. The message of a friend prompted me to visit Clemens in his apartment. I was told at the door that I would find him in the courtyard behind the barn. I directed my steps there and saw the humorist standing on an empty wooden box. He stood in an upright posture, his arms pressed tightly to his sides. He wore a long “Ulster” that reached to his ankles, and on his head he had a pointed Tyrolean hat. His face had a solemn expression.
„Hallo, Mark,“ sagte ich, „was machst du auf der Kiste? Glückliche Weihnachten!““Hello, Mark,” I said, “what are you doing on the box? Merry Christmas!”
Er nickte mit dem Kopfe. „Weißt du nicht,“ erwiderte er langsam in feierlichem Tone, „daß ich um viele Jahrhunderte älter bin, als die christliche Aera? was zum Donnerwetter fällt dir ein, daß du in meiner Gegenwart von Weihnachten sprichst?“He nodded his head. “Don't you know,” he replied slowly in a solemn tone, “that I am many centuries older than the Christian era? What in thunder do you think you are doing talking about Christmas in my presence?”
„Komm, komm,“ sagte ich, „keine Späße. Komm herunter von der Kiste, und herein in's Haus, in's Warme.““Come, come,” said I, “no joking. Get down off the box and go inside where it's warm.”
„Wenn du das Piedestal meinst,“ erwiderte er, „so kann ich davon nicht herunter, außer wenn ich herabgesenkt werde. Und was die Temperatur anbelangt, so macht dieselbe keinen Eindruck auf einen Monolithen, der so an's Wetter gewöhnt ist, wie ich.““If you mean the pedestal,” he answered, “I cannot come down from it unless I am lowered. And as for the temperature, it makes no impression on a monolith as accustomed to the weather as I am.”
„Du siehst aus, wie ein Monolith,“ gab ich zu, „in dem Ulster und dem Hut.““You do look like a monolith,” I admitted, “in the Ulster and the hat.”
„Glaubst du wirklich?“ rief er eifrig. Seine Gesichtszüge nahmen einen Ausdruck der Befriedigung an, und er setzte sich an die Kante der Kiste und fing an, mit den Absätzen auf die Seite derselben zu trommeln, „du glaubst in der That, daß ich der ächte, einzige Original-Obelisk bin?““Do you really think so?” he exclaimed eagerly. His features took on an expression of satisfaction, and he sat down on the edge of the box and began to drum with his heels on the side of it, “you believe indeed that I am the genuine, the only original obelisk?”
„Obelisk!“ sagte ich. „Ich habe den Obelisken vorgestern in New York gesehen. Sie haben ihn bereits bis zum Gerüste gebracht. Du bist ein Humorist und kein Obelisk.““Obelisk!” I said. “I saw the obelisk the day before yesterday in New York. They have already brought it up to the scaffolding. You're a humorist, not an obelisk.”
Mark Twain stieg sofort wieder auf die Kiste, und seine Gesichtszüge nahmen ihren steinernen Ausdruck wieder an.Mark Twain immediately mounted the box again, and his features again assumed their stony expression.
„Du bist getäuscht worden,“ sagte er mit würdevollem Ausdruck. „Das Ding in New York ist nachgemacht. Es ist ein Cardiff-Riese von einem Obelisken, eine Nachahmung aus Gyps, die man auf der Ueberfahrt angefertigt und einem arglosen Publikum als ächt aufgehängt hat. Der ächte Obelisk wurde auf der New York, New Haven und Hartford Eisenbahn nach Hartford geschafft. Du siehst ihn in diesem Augenblick vor dir.““You have been imposed upon,” he remarked with great dignity. “That thing in New York is bogus. It is a Cardiff giant of an obelisk, a composite plaster fraud concocted on the voyage over, and palmed off as genuine on an unsuspecting audience. The real obelisk was shipped to Hartford on the New York-New Haven-and-Hartford-railroad. You behold it at this exact moment.”
Ich nahm meinen Hut ab, was ihm zu gefallen schien.I took off my hat. This seemed to please him a good deal.
„Entschuldige mich, fuhr er fort, ich bin in Bezug auf diesen Punkt etwas empfindlich. Jeder Monolith ist empfindlich, wenn seine Autentität [sic] in Zweifel gezogen wird. Bin ich nicht steif und hart genug, um auch den Ungläubigen zu überzeugen?““Excuse me, he continued, I am a little sensitive about this point. Every monolith is sensitive when its authenticity is doubted. Am I not stiff and hard enough to convince even the unbeliever?”
„Du siehst steif und hart genug aus,“ sagte ich, „aber wo sind deine Hieroglyphen? Daran erkennt man den ächten Obelisken.““You look stiff and hard enough,” I said, “but where are your hieroglyphs? That's how you recognise the real obelisk.”
„Grade wie ich erwartet hatte,“ erwiderte er ärgerlich. „Du scheinst zu denken, hier sind keine Hieroglyphen. Merkwürdig, es ist mir selbst aufgefallen. Verdammt seien die Hieroglyphen,“ fuhr er aufgeregt fort. „Ich weiß nicht, was ich daraus machen soll. Manchmal gleube ich, Gorringe hat sie mir fortgenommen und an seiner nachgemachten Säule angebracht. Dann kommt mir wieder der Gedanke, daß Marshall Jewell sie für eine telegraphische Chiffre-Depesche gestohlen habe. Manchmal habe ich auch die Vermuthung, daß sie nur nach gefahren sind und wieder ausschlagen werden, sobald ich acclimatisirt sein werden. Aber du wirst zugeben, daß eine anständige ägyptische Antiquität in eine schlimme Lage gebracht werde, wenn man ihr ihre Hieroglyphen stiehlt. Irgend ein Narr kann kommen und sagen, ‚Du bist kein Obelisk, wo zum Teufel sind deine Hieroglyphen?'““Just as I expected,” he replied angrily. “You seem to think there are no hieroglyphics here. Strange, I noticed it myself. Damn the hieroglyphics,” he continued excitedly. “I don't know what to make of it. Sometimes I think Gorringe took them away from me and put them on his imitation column. Then again I surmise that they've merely struck in, and will blossom out again as soon as I've got acclimated. But you'll allow that it's putting a respectable Egyptian antiquity at a disadvantage to steal his hieroglyphics. Some fool can come and say, 'You are not an obelisk, where the hell are your hieroglyphics?'”
Ich wandte mich traurig ab, schließt der Correspondent seine Mittheilungen. Ich sah ein es war nutzlos, mit ihm zu argumentieren. Glücklicherweise dauern diese Anfälle in der Regel nicht länger als zehn oder vierzehn Tage und die Freunde des geistreichen Humoristen haben daher keine Ursachen, sich seinetwegen ernstlichen Befürchtungen zu überlassen.I turned away sadly, the correspondent concludes his messages. I realized it was useless to argue with him. Fortunately, these attacks do not usually last more than ten or fourteen days, and the friends of the witty humorist therefore have no cause to be seriously alarmed on his account.
Es wäre zu wünschen, daß der Korrespondent mit diesen letzten Worten Recht haben möge. Mark Twain ist noch jung, und seine geistige Umnachtung wäre ein großer Verlust für die amerikanische Literatur. Ob seine Krankheit, wie von vielen Seilen behauptet wird, durch eigenes Verschulden, d. h., durch eine zu große Vorliebe für Stimulantien, herbeigeführt worden ist, wollen wir dahin gestellt sein lassen.It is to be wished that the correspondent may be right in these last words. Mark Twain is still young, and his mental derangement would be a great loss to American literature. Whether his illness, as is claimed by many ropes, was brought about by his own fault, i.e., by too great a fondness for stimulants, we will leave aside.

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