Mark Twain in German-Language Newspapers and Periodicals

Mark Twain über republikanische Einfachheit | 16 March 1899


Freie Presse für Texas. [volume] (San Antonio, Tex.), 16 March 1899. Chronicling America: Historic American Newspapers. Lib. of Congress. <https://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn83045227/1899-03-16/ed-1/seq-2/>
This article comments on and summarises Mark Twain's text "Diplomatical Pay and Clothes", originally published in The Forum magazine (issue of March, 1899).
TranscriptionEnglish Translation
Mark Twain über republikanische EinfachheitMark Twain on republican simplicity
Unter dem wunderlichen Titel „Diplomatischer Sold und Anzug“ bringt der Humorist Mark Twain im „Forum“ eine wohlgelungene Satyre über die von Seiten der Ver. Staaten beliebte Coquetterie mit der „republikanischen Einfachheit“ - besonders was den diplomatischen Dienst und die financiellen Aufwendungen für denselben anlangt.Under the strange title “Diplomatic Pay and Clothes” the humorist Mark Twain published in the “Forum” a well-done satire about the popular coquetry on the part of the United States with “republican simplicity” - especially concerning the diplomatic service and its financial expenses.
Bei einem Humoristen vom Schlage Mark Twains, dem der Schalk fortwährend im Nacken sitzt, weiß man nie genau, wie weit bei ihm der Scherz und die Satyre gehen und wo der Ernst anfängt, aber trotzdem verdienen seine scherzhaften Betrachtungen in mehr als einer Hinsicht die eingehendste Beachtung. Und dies schon aus dem Grunde, weil Mark Twain nicht nur einer der gescheitesten, sondern auch einer der .... weitestgereisten Amerikaner ist.In the case of a humorist of Mark Twain's standing, with his mischievousness constantly at work, one never knows exactly how far his jokes and satire will go and where the seriousness will begin, but nevertheless his jocular observations deserve the closest attention in more than one respect. For the very reason that Mark Twain is not only one of the cleverest, but also one of the .... most widely traveled Americans.
Mark Twain hat alle Erdtheile bereist, er hat überall Land und Leute mit dem scharfen Auge des lachenden Philosophen betrachtet und er ist gerade deshalb besser befähigt, als die meisten anderen Anglo-Amerikaner ein Wort mitzureden, wenn es sich über die Beziehungen der Ver. Staaten zum Auslande handelt, und zwar speciell um die Persönlichkeiten, welche diese Beziehungen officiell zu vermitteln haben.Mark Twain has visited all parts of the world; he has seen countries and observec their peoples everywhere with the sharp eye of the laughing philosopher, and therefore he is better qualified than most other Anglo-Americans to discuss the relations of the United States with foreign countries, and specifically those people who are officially responsible for mediating these relations.
Mark Twains Beschwerden concentriren sich dahin: daß die Ver. Staaten ihre diplomatischen Vertreter im Auslande zu schäbig bezahlen, so daß dieselben nicht im Stande sind, ihren Repräsentations-Posten in einer der Größe und Bedeutung ihres Landes entsprechenden Weise nachzukommen - es sei denn, daß sie Privatvermögen haben und dasselbe „zubuttern“ - und ferner: daß die amerikanischen Diplomaten im Auslande inmitten der goldstrotzenden und ordenbesäten Collegen bei festlichen Gelegenheiten nur im eintönigen Frack, dem drüben üblichen Kellner-Kostüm, erscheinen können.Mark Twain's complaints focus on the fact that the United States does not pay its diplomatic representatives abroad enough, so that they are unable to fulfill their representational duties in a way that is appropriate to the size and importance of their country - unless they have private assets to put towards it. He continues that the American diplomats abroad can - on festive occasions and surrounded by their gold-covered and highly decorated colleagues - appear only in drab tailcoats, the usual waiter's costume over there.
Diese beiden „Mißstände“ sind natürlich eine Folge der „republikanischen Einfachheit“ der Ver. Staaten. Mark Twain bezeichnet diese Begründung aber als einen heuchlerischen Vorwand, denn in allen anderen Dingen falle es den Ver. Staaten gar nicht mehr ein, mit dieser republikanischen Einfachheit zu coquettiren - blos in Hinsicht auf ihre diplomatische Vertretung im Auslande, aber gerade dadurch schädigten sie ihre Interessen in bedauerlicher Weise.These two “grievances” are of course a consequence of the “republican simplicity” of the United States. Mark Twain, however, describes this justification as a hypocritical pretext, because in all other things it no longer occurs to the United States to act with this republican simplicity - only with regard to their diplomatic representation abroad, but precisely through this they damage their interests in a regrettable way.
In Bezug auf den „Sold“ scheinen uns Mark Twains Einwendnng durchaus berechtigt zu sein, was aber seine Idee in Bezug auf die Einführung goldstrotzender Diplomaten-Uniformen anlangt, so wollen uns dieselben doch nicht zusagen, so geschickt er auch für dieselben eintritt - und zwar wirklich im Ernste einzutreten scheint.With regard to the “pay” Mark Twain's objections seem to us to be quite justified, but as far as his idea concerning the introduction of gold-covered diplomatic uniforms is concerned, these do not appeal to us, however skillfully he argues for them - and he indeed seems to argue for them in all seriousness.
Er bezeichnet den schlichten schwarzen Frack des amerikanischen Diplomaten gerade als eine herausfordernde Demonstration, als eine geradezu unhöfliche Abweichung von internationalen Sitten und Gebräuchen, denen sich alle anderen Nationen ohne Murren und Weigern fügen. „Wenn ein Fremder zu uns kommt“, sagt er, „und sich gegen unsere Sitten und Gebräuche auflehnt, dann sind wir beleidigt, und zwar mit Recht, aber dennoch zwingt unsere Regierung ihre diplomatischen Vertreter im Auslande, eine Amtstracht zu tragen, die im Widerspruche zu allen dort herrschenden Gebräuchen steht und der Tadel dafür fällt auf die Nation zurück.“He describes the American diplomat's plain black tailcoat precisely as a defiant demonstration, a downright rude deviation from international manners and customs, to which all other nations submit without grumbling or refusal. “When a stranger comes to us,” he says, “and rebels against our customs, we are offended, and justly so, but still our government compels its diplomatic representatives abroad to wear an official dress which is at variance with all the customs prevailing there, and the censure for it falls upon the nation.”
Mark Twain macht für den amerikanischen Diplomaten-Frack keinen Geringeren verantwortlich als Benjamin Franklin, allein er betont, daß etwas, was solch ein Ausnahme-Mensch sich erlauben konnte, noch lange nicht als Päcedenzfall [sic] für alle späteren Generationen gelten dürfte.Mark Twain holds no one less than Benjamin Franklin responsible for the American diplomat's tailcoat, but he emphasizes that something that such an exceptional man could allow himself should not be regarded as a precedent for all later generations.
Bei allen seinen Argumentationen gegen den schlichten Frack als Amtsgewand des amerikanischen Diplomaten vergißt Mark Twain aber doch ein Hauptargument, resp. das Hauptargument für die Beibehaltung desselben - selbst auf die Gefahr hin, daß einer unserer Gesandten bei einem Balle mal mit einem Kellner verwechselt und um Ueberbringung von einem Glase Wasser ersucht werden sollte. Dieser Grund ist aber der, daß die Ver. Staaten die einzige Großmacht sind, die überhaupt keine Berufs-Diplomatie haben, in der also jeder hervorragende und fähige Bürger eines schönen Tages dazu berufen werden kann, für ein paar Jahre sein Land im Ausland zu vertreten. Dieser Bürger-Diplomat fühlt sich aber in seinem Frack viel heimischer und sicherer als in irgend einer Gala-Livreé mit Litzen, Tressen und Fangschnüren. Ja, er würde in letzterer vielleicht eine sehr komische Rolle spielen, denn auch das Uniform tragen will gelernt sein. Man stelle sich beispielsweise unseren Herrn Ex-Gov. Hogg im Hofkostüm mit Escarpins, Schnallenschuhen und Galanterie-Degen vor! Zum Schreien müßte das sein!In all his arguments against the plain tailcoat as the official garb of the American diplomat, however, Mark Twain forgets one main argument, or rather the main argument for retaining it - even at the risk that one of our envoys might be mistaken for a waiter at a ball and asked to bring a glass of water. This reason, however, is that the United States is the only great power which has no professional diplomacy at all, in which every excellent and capable citizen can one day be called to represent his country abroad for a few years. This citizen-diplomat, of course, feels much more at home and secure in his tailcoat than in some gala livery with laces, trims, and lanyards. Yes, he would possibly be a very comical figure in the latter, because even wearing a uniform has to be learned. Imagine, for example, our Mr. Ex-Gov. Hogg in court costume with buckled shoes, and ceremonial sword! It would be hilarious!
Aehnliches mag Mark Twain auch wohl selbst eingesehen haben, denn er tritt mit folgendem Vorschlag hervor, der als eine Art von Vermittlung zwischen Frack und Hof-Gala-Kostüm gelten kann. Er schlagt nämlich vor, daß der Präsident der Ver. Staaten jeden Gesandten oder Botschafter, den er ernennt, gleichzeitig zum General resp. Admiral ernennen soll, welche Uniform dieselben dann - wenigstens bei allen officiellen und feierlichen Gelegenheiten - zu tragen hätten.Mark Twain himself may have realized something similar, because he comes forward with the following suggestion, which can be regarded as a kind of compromise between tailcoat and court dress. He suggests that the president of the United States should appoint every envoy or ambassador, whom he nominates, as a general or admiral as well, the respective uniform of which they would then have to wear - at least during all official and ceremonial occasions.
Das läßt sich wenigstens einigermaßen hören, doch sind die Consequenzen solch eines Schrittes nicht unbedenklich. Hält man einmal Zugeständnisse in solchen Aeußerlichkeiten für nothwendig, wo ist da die Grenze? Warum dann nicht auch Orden, Titulaturen und Adels-Prädicate?This idea is at least to some extent reasonable, but the implications of such a step are not without danger. If one considers such formalities to be necessary, where is the limit? Why then not also medals, titles and noble predicates?
Aus dem schlichten „Botschafter White“ würde dann mit einem Male „Seine Excellenz der Wirkliche Geheimrath Andrew D. White, Baronet und Ritter hoher Orden“. Das würde aber denn doch bald der wohlverdienten Lächerlichkeit anheimfallen, denn es ist und bleibt eben einfach unamerikanisch!The plain “Ambassador White” would then all at once become “His Excellency the Real Privy Councillor Andrew D. White, Baronet and Knight of High Orders”. But this would soon fall victim to well-deserved ridicule, because it is and remains simply un-American!
Wenn es denn durchaus vermieden werden soll, daß die amerikanischen Diplomaten ihres Fracks und ihrer absoluten Ordenlosigkeit wegen mit den Kellnern verwechsclt werden, dann kann man ihnen ja eine goldene Amtskette verleihen, wie sie die preußischen Bürgermeister bei feierlichen Gelegenheiten über ihrem Fracke zu tragen pflegen.If it is to be avoided that the American diplomats are confused with the waiters because of their tails and their absolute lack of orders, then one can award them a golden chain of office, as the Prussian mayors use to wear it over their tailcoats on ceremonial occasions.
Völlig einverstanden muß man aber damit sein, was Mark Twain in Bezug auf den „Sold“ unserer Diplomaten sagt. Interessant und vielsagend ist da die folgende Nebeneinanderstellung der Gehälter, welche die diplomatischen Vertreter der Ver. Staaten und diejenigen Großbritanniens in den europäischen Großstädten beziehen, nämlich:But one has to agree completely with what Mark Twain says about the “pay” of our diplomats. Interesting and telling is the following juxtaposition of the salaries paid to the diplomatic representatives of the United States and those of Great Britain in the major European cities, namely:
                        Amerikanische:  Englische:
Paris ...........    $17,500             $45,000
Berlin ..........      17,500               40,000
Wien ............     12,000               40,000
Constantinopel .. 10,000               40,000
St. Petersburg .. 17,500                39,000
Rom ............      12,000               35,000
                        American:         English:
Paris ...........    $17,500            $45,000
Berlin ..........      17,500             40,000
Vienna ............   12,000             40,000
Constantinople ... 10,000             40,000
St. Petersburg ..  17,500             39,000
Rome ............     12,000             35,000
Und dazu kommt noch, daß den Britischen Botschaftern überall in allen Hauptstädten ihrer Regierung gehörige palastartige Botschafts- resp. Gesandtschafts-Hôtels zur Verfügung stehen, während der amerikanische Diplomat sich erst noch ein Haus miethen und für seine Zwecke einrichten muß.And in addition to that, the British ambassadors have their own majestic embassy or legation hotels at their disposal everywhere in all capitals of their government, while the American diplomat still has to rent a house and furnish it for his purposes.
Wäre nun die „republikanische Einfachheit“ nach Franklin'schem Muster thatsächlich noch an der Tagesordnung, dann wären ja auch jene Gehälter hoch, überreichlich hoch genug. Aber diese republikanische Einfachheit war schon bisher bloß eine Heuchelei und wird es jetzt nach der neuen Expansions- und Weltmachts-Entwicktung dieses Landes von Jahr zu Jahr mehr werden. Der Hauptübelstand dabei liegt aber darin, daß bei der Besetzung der Gesandten- und Botschafter-Posten nicht mehr gefragt werden wird: „Wer ist der tüchtigste, der dafür geeignetste Mann?“ sondern: „Wer von den in Betracht kommenden Parteimännern hat das entsprechende Privat-Vermögen?“If this “republican simplicity” according to Franklin were still the order of the day, then those salaries would be high, excessively high indeed. But this republican simplicity has been mere hypocrisy up to now and will become more so every year after the new expansion and development of world power in this country. But the main problem is that in filling the posts of envoys and ambassadors the question will no longer be “Who is the most capable, the most suitable man for the job?” but “Who among the party men under consideration has the corresponding private wealth?”
Aber gerade darin läge doch der allergrößte Hohn auf den Begriff der „republikanischen Einfachheit“!But precisely this would be the greatest mockery of the concept of “republican simplicity”!

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