Mark Twain in German-Language Newspapers and Periodicals

Mark Twain über die deutsche Sprache | 22 Nov. 1897


Abendblatt. [volume] (Chicago, Ill.), 22 Nov. 1897. Chronicling America: Historic American Newspapers. Lib. of Congress. <https://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn83045004/1897-11-22/ed-1/seq-4/>
TranscriptionEnglish Translation
Mark Twain über die deutsche SpracheMark Twain on the German language
Mark Twain hat in der Wiener „Concordia“, die dieser Tage eine Festkneipe für ihn veranstaltete; einen höchst humoristischen „Speech“ über die deutsche Sprache gehalten. Er sprach selbst deutsch und sagte etwa Folgendes: „Die deutsche Sprache sprech [i]ch nicht gut, doch haben mehrere Sachverständige mich [sic] versichert, daß ich sie schreibe wie ein - Engel. Mag sein - ich weiß nicht. Bis jetzt habe ich keine Bekanntschaft mit Engeln gehabt. Das kommt später (nach oben zeigend), wenn es dem lieben Gott gefällt. Es giebt keine Eile dabei. Seit lange [sic] habe ich die leidenschaftliche Sehnsucht gehegt, eine Rede auf Deutsch zu halten, aber man hat mir's nie erlauben wollen. Leute, die kein Gefühl für die Kunst hatten, legten mir immer Hindernisse in den Weg. Immer sagten diese Leute zu mir: „Schweigen Sie, Hochwohlgeboren! Suchen Sie eine andere Art und Weise, sich lästig zu machen!“ Auch diesmal ist es mir schwierig geworden, mir die Erlaubniß zu verschaffen. Das Comite konnte mir die Erlaubniß nicht ertheilen wegen eines Gesetzes, das von der „Concordia“ verlangt, die deutsche Sprache zu schützen. Ich habe aber nie das Verlangen gehabt, der edlen Sprache zu schaden. Im Gegentheil, ich habe nur gewünscht, sie zu verbessern, zu reformiren. Es ist der Traum meines Lebens gewesen. Ich habe schon Besuche bei verschiedenen deutschen Regierungen abgestattet und um Contrakte gebeten. Ich würde nur einige Aenderungen anstreben, ich möchte die üppige, weitschweifige Construktion zusammendrücken, die ewigen Parenthesen unterdrücken, abschaffen, vernichten; ich würde die Einführung von mehr als dreizehn Subjekten in einem Satze verbieten und das Zeitwort so weit nach vorne rücken, bis man es ohne Fernrohr entdecken kann. Mit einem Wort: Ich möchte Ihre geliebte Sprache vereinfachen. Ich flehe Sie an, sich von mir berathen zu lassen! Führen Sie die erwähnten Reformen aus, dann werden Sie eine prachtvolle Sprache haben. Vor mehreren Tagen hat der Correspondent einer hiesigen Zeitung einen Satz zu Stande gebracht, welcher 112 Worte enthielt, und darin waren sieben Parenthesen eingeschachtelt und es wurde d[as] Subjekt sieben Mal gewechselt. Im Laufe der Reise eines einzigen Satzes muß das arme, verfolgte, ermüdete Subjekt sieben Mal umsteigen! Noch Eins! Ich möchte gerne das trennbare Zeitwort ein bischen reformiren. Wenn alle diese Reformen durchgeführt sein werden, wird die deutsche Sprache die edelste und schönste auf der Welt sein. Herr Pötzl hat in einem humoristischen Feuilleton über mich das Publikum glauben machen wollen, daß ich nach Wien gekommen bin, um die Brücken zu verstopfen und den Verkehr zu hindern, während ich Beobachtungen sammle. Lassen Sie sich aber nicht von ihm anführen. Meine häufige Anwesenheit auf den Brücken hat einen ganz unschuldigen Grund. Dort giebt's den nöthigen Raum, meine deutschen Forschungen fortzusetzen. Dort kann man einen langen deutschen Satz ausdehnen die Brückengeländer entlang; auf das eine Ende des Geländers klebe ich das erste Glied eines trennbaren Zeitwortes und das Schlußglied klebe ich an's andere Ende, dann breite ich den Leib des Satzes dazwischen aus. Gewöhnlich sind für meinen Zweck die Brücken der Stadt lang genug. Wenn ich aber Plötzl's Schriften studiren will, benutze ich die herrliche, unendliche Reichsbrücke. Aber das ist eine Verleumdung. Pötzl schreibt das schönste Deutsch, vielleicht nicht so biegsam wie das meinige, aber in manchen Kleinigkeiten viel besser. Entschuldigen Sie diese Schmeicheleien - sie sind wohl verdient. Nun bringe ich meine Rede um nein, ich wollte sagen, ich bringe sie zum Schlusse. Ich bin ein Fremder, aber hier unter Ihnen in der gastfreundlichen Atmosphäre Wien's habe ich es ganz vergessen. Und so biete ich Ihnen wieder und wieder meinen herzlichsten Dank.“Mark Twain gave a highly humorous “Speech” about the German language at the “Concordia” in Vienna, which held a “Festkneipe” for him these days. He spoke German himself and said something like this: "I do not speak the German language well, but several experts have assured me that I write it like an angel. Maybe - I don't know. So far I have had no acquaintance with angels. That will come later (pointing upward) if it pleases God. There is no hurry about it. For a long time I have had a passionate longing to give a speech in German, but I was never allowed to do it. People who had no feeling for art always put obstacles in my way. These people always said to me, “Silence, Your Highness! Find another way to make a nuisance of yourself!” This time, too, it became difficult for me to get permission. The Committee could not grant me permission because of a law that requires the “Concordia” to protect the German language. But I have never had the desire to harm this noble language. On the contrary, I have only wished to improve it, to reform it. It has been the dream of my life. I have already visited various German governments and asked for contracts. I would seek only a few changes: I would compress the luxuriant, expansive structure; suppress, abolish, destroy the eternal parenthesis; I would forbid the introduction of more than thirteen subjects in a sentence, and move the verb so far forward that it could be discovered without a telescope. In sum, I would simplify your beloved language. I beg you to let me advise you! Carry out the mentioned reforms, then you will have a splendid language. Several days ago, the correspondent of a local newspaper produced a sentence containing 112 words, in which seven parentheses were nested and the subject was changed seven times. In the course of the journey of a single sentence, the poor, persecuted, tired subject must have changed seven times! One more thing! I would like to reform the separable verbs a bit. When all these reforms will have been carried out, the German language will be the noblest and most beautiful in the world. Herr Pötzl, in a humorous feuilleton about me, wanted to make the public believe that I had come to Vienna to clog the bridges and prevent traffic while I was compiling observations. Don't let him lead you on, however. My frequent presence on the bridges has an entirely innocent reason. They give me the necessary space to continue my German studies. There, one can stretch a long German sentence along the bridge railing; on one end of the railing I stick the first part of a separable verb and the last part I stick on the other end, then I spread the body of the sentence between them. Usually the bridges of the city are long enough for my purpose. But when I want to study Pötzl's writings, I use the magnificent, infinite Reichsbrücke. But this is slander. Pötzl writes the most beautiful German, perhaps not as flexible as mine, but in some details much better. Excuse these flatteries - they are well deserved. Now I will kill my speech - no, I wanted to say I will bring it to a close. I am a stranger, but here among you in the hospitable atmosphere of Vienna I have quite forgotten it. And so I offer you again and again my warmest thanks.”

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